Der ungewollte Dritte

Was tun wir, wenn wir Menschen lieben, die mit Personen zusammenleben oder Kontakt haben, die uns nicht guttun? Vielleicht tun sie den von uns geliebten Menschen ebenso wenig gut (zumindest meinen wir das), doch diese merken es nicht direkt oder können es nicht äußern.
Das kann beispielsweise passieren, wenn…
…wir uns mit unserem Ex-Partner nicht mehr verstehen, aber weiterhin gemeinsame Kinder großziehen.
…wir mit einer Außenbeziehung unseres Partners konfrontiert werden.
…wir mit dem Partner/ der Partnerin unseres Sohnes/ unserer Tochter nicht einverstanden sind.

Nach mehreren gescheiterten Versuchen, die Dritten doch irgendwie positiv sehen zu können, liegt es vielen von uns nahe, einen der beiden Wege zu gehen:

1) Entweder sprechen wir – auch wenn dies mit einem schlechten Gewissen einhergehen kann – direkt oder indirekt schlecht über die Dritten bzw. signalisieren nonverbal, dass wir mit bestimmten Teilen ihres Verhaltens oder ihrer Einstellungen nicht einverstanden sind. Dabei hoffen wir, dass die von uns geliebte Person schon verstehen wird, dass wir es für besser befinden, dass sie sich von den Dritten distanziert.

2) Oder wir distanzieren uns – häufig unbewusst und aus Selbstschutz – von dem geliebten Menschen; in der Hoffnung, dass er durch unsere Distanz versteht, dass er, um uns wieder näher kommen zu können, von den Dritten Abstand nehmen müsste.

Ein solches Verhalten ist weit verbreitet und die Gründe dafür wurden schon im Jahr 1946 durch österreichischen Psychologen Fritz Heider angeführt. In seiner Balancetheorie beschrieb er, dass Menschen sich selbst entsprechend anpassen müssen, wenn sie den einen Menschen mögen, aber merken dass sich die Einstellung in Bezug auf etwas Drittes unterscheidet.
Obwohl die oben genannten Strategien häufig verwendet werden, gefährden sie die Bindung zwischen uns und dem geliebten Menschen. Vielleicht ist er nicht willens oder nicht in der Lage sich von den Dritten zu distanzieren. Vielleicht fühlt er sich ohnmächtig, zwischen den Stühlen und hilflos und empfindet zuletzt einen derartigen Loyalitätskonflikt als so belastend, dass er sich seinerseits von uns distanziert.

Doch wir können unsere Balance auch wiederherstellen, ohne dass wir die Bindung zu dem geliebten Menschen gefährden oder verlieren. Dies hängt maßgeblich von unserer inneren Haltung zur Situation und unserer Rolle ab:
– Wir können uns auf die Beziehungsqualitäten zwischen uns und dem geliebten Menschen konzentrieren, die wir schätzen und neue Erfahrungsräume zur Entfaltung schaffen.
– Wir können im Mitgefühl sein mit den Dritten oder unserem geliebten Menschen, insofern sie sich ungewollt selbst oder gegenseitig schaden.
– Wir können darüber nachdenken, welche Bedürfnisse des von uns geliebten Menschen durch den Umgang mit Dritten eventuell erfüllt werden (und – wenn wir es schaffen – dafür dankbar sein).
– Wir können unsere Hand anbieten – immer wieder – um zu signalisieren, dass wir da sind, dass wir zuhören, dass wir offen sind und ggf. im Falle einer Loslösung zur Seite stehen.
– Wir können verlässlich da sein und für uns selbst sorgen, uns auf unser Leben fokussieren und Dinge tun, die uns glücklich machen.

Wie wir unsere Beziehungen heute gestalten, beeinflusst unsere zukünftigen Beziehungen. Das gilt nicht nur für die uns Nächsten, sondern auf für den Umgang mit (ungewollten) Dritten. Wenn wir den Raum konstruktiv und voller Vertrauen nutzen, können wir damit nicht nur gesunde Beziehungen, sondern vielleicht sogar gesunde Gemeinschaften stiften.

✒ Dr. Robin Junker